3.4 Fach GeWi kritisch gesehen
Kritik an der Konzeption des Faches Gesellschaftswissenschaften / GeWi im Zuge des neuen Rahmenlehrplans
Grundsätzlich bietet der RLP der Fachkonferenz GeWi viele Möglichkeiten der Gestaltung eines schulinternen Fachcurriculums. Indem Themenfelder z. T. ausgewählt und "eigene" hinzugefügt werden können, Abfolgen und Aktzentuierungen bestimmt werden können, sind fachspezifische Ausprägungen im Sinne von Erdkunde-, Geschichts- und Politikunterricht nach wie vor möglich und es besteht kein Grund zur Frustration!
Aber es fällt schon schwer sich als Geographielehrer mit dem neuen Fach Gesellschaftswissenschaften abzufinden!
- Da ist zum einen diese unsägliche Formulierung unter Ausgrenzung und Teilhabe: "Umgang mit Ausgegrenzten früher (z. B. in der Antike: Fremdarbeiter im Alten Ägypten, Gladiatoren in Rom; im Mittelalter: Juden, Gaukler, Henker;" (Teil C, Gesellschaftswissenschaften - Jahrgangsstufen 5/6,, S.36, Link vom 13.02.2016). Wie kann der Gleichklang Juden - Gaukler - Henker in einem RLP konstruiert werden, der historische Orientierungskompetenzen fördern will?
- Da wird GeWi als Zusammenfassung der Fächer Geografie, Geschichte und Politik verkauft; schaut man sich die tatsächliche Konzeption an, stellt man allerdings fest, dass es sich in Wahrheit um eine "Zwangskollektivierung" der genannten mit weiteren Fächern, respektive Deutsch und Religion handelt, die geringe Stundenzahl von 3 pro Woche allerdings erhalten bleibt. Da soll man also nun das Thema 3.12 Religionen in der Gesellschaft - Miteinander oder Gegeneinander? unterrichten... Mal abgesehen von der Fragestellung, die doch meiner Meinung nach eindeutig mit Ja zu beantworten wäre: Eine Abwälzung des offensichtlich bestehenden Problems, den SuS Berlins keine religiöse/ethische Basiskompetenzen vermitteln zu können, weil kaum noch einer freiwillig den Religionsunterricht besucht und kein vernünftiger Islam-Unterricht organisiert werden kann, kann doch nicht auf Kosten des Fachunterrichts in Erdkunde und Geschichte erfolgen!
Wenn man mich als Geographielehrer schon zum Religionslehrer umwidmet, dann doch bitte indem man parallel das Stundenkontigent für GeWi erhöht!
- Erhebt man nun aber das Prinzip des fachübergreifenden Unterrichts zum Nonplusultra, bleibt die Frage, warum ausgerechnet die Fächer Geographie und Geschichte in ihrer spezifischen Fachausrichtung weichen müssen! Geografische Kompetenzen, die in ihrer fachimmanenten interdisziplinären Ausrichtung heute mehr denn je zur Rettung der Erde beitragen können und Geschichtskompetenzen, zu deren wir Deutschen in besonderem Maße verpflichtet sind und die politischen, die unser aktuelles Leben entscheidend bestimmen, sollen also eingeebnet werden, während z. B. Mathematik weiterhin eigenständig und mit höchstem Stundenkontigent versehen bleiben darf!?
Es ist auch nicht logisch, dass die Fächer Musik, Bildende Kunst und Sport nicht vermischt werden, oder? Diese Fächer haben nämlich mindestens soviel Gemeinsamkeiten wie Erdkunde und Geschichte!
- Wo nun schon das Thema "Lobbyismus" im Raum stehen mag: Es fällt aus Sicht des Grundschullehrers nicht leicht zu aktzeptieren, wenn nur den Einwänden der Oberschullehrer in Sachen Längsschnittsverfahren weitgehend Rechnung getragen wird, über die unseren jedoch hinweggegangen wird und das Fach Gesellschaftswissenschaften trotz aller Einwände durchgesetzt wird. (Vielleicht ist es generell an der Zeit, die Ausrichtung linker Bildungspolitik zu hinterfragen, die Grundschullehrern/-innen zu "Kindergärtnern/-innen" herabdegradiert, indem sie diesen im Rahmen der Ausbildung das fachwissenschaftliche Profil und somit weitere Authorität nimmt...)
- Was da als "Entschlackung" präsentiert und als Umstellung der Themen auf die aktuellen Interessen der Schülerschaft verkauft wird, kann ich nur teilweise nachvollziehen. So ist das Thema 3.8 Mode und Konsum – mitmachen um jeden Preis? (In diesem Falle wäre die Frage eindeutig mit Nein zu beantworten!) sicher interessant, aber keineswegs zwingend in den Bereich EK/G/Pol hineinzuquetschen, sondern eher in Deutsch oder BK anzugehen. Und überhaupt frage ich mich, warum man einem vermeintlichen Schülerinteresse hinterherrennen soll, wenn man doch als engagierter Lehrer die SuS für jedes Thema begeistern kann und somit fachspezifische Horizonte über die bestehenden hinaus erweitern könnte.
- Der neue RLP räumt dem Bereich "Urteilen" einen extrem breiten Raum ein. Alles soll problemorientiert angegangen und diskutiert werden. Bsp.: 3.6 Demokratie und Mitbestimmung –Gleichberechtigung für alle? (Diese Frage ist übrigens dem Grundgesetz entsprechend mit ja zu beantworten...) Dieses Vorgehen scheint z.T. berechtigt, birgt allerdings die Gefahr überstrapaziert zu werden, sodass die SuS die Lust daran verlieren könnten, sich mit verschiedenen Positionen auseinandersetzen und Stellung beziehen zu müssen...